
„Peter Lindbergh ist tot“ – Diese Nachricht eines sehr gut befreundeten Fotografen erreichte mich heute Mittag per Twitter. Meine Antwort war nur ein ungläubiges „What?“. Nach einer schnellen Internetrecherche wurde klar, es ist wahr – einer der ganz Grossen ist gestorben.
Ich schreibe diese Zeilen weil dies einer dieser Momente ist, in denen ich einen Kanal brauche um meine Emotionen herauszulassen.
Peter Lindbergh war für mich das was der Nordstern für Seefahrer ist. Immer wenn ich auf meinem fotografischen Weg nicht mehr weiter weiss habe ich meine Peter Lindbergh-Bücher herausgeholt, ich habe Dokumentarfilme über ihn angeschaut oder meine umfangreiche Sammlung seiner Bilder auf dem Smartphone durchgeblättert. Danach wusste ich wieder was ich will und welchen Weg ich gehen will.
Peter Lindbergh war immer da. Ich wurde 1977 geboren. Ein Jahr später ist Peter Lindbergh nach Paris gezogen um dort seine internationale Karriere zu starten. Da ich in der DDR aufwuchs und bis zum Mauerfall keinen Zugang zu internationalen Fotografen und deren Arbeiten hatte war Peter Lindbergh einer der ersten Fotografen, deren Bilder ich entdeckte. 1988 fotografierte er acht junge noch unbekannte Mädchen in New York. In unterschiedlichen Settings hatten sie alle gleiche Bekleidung an. Einmal waren dies Röcke, Lederjacken und passende Mützen und dann weisse Herrenhemden. Er wusste er bricht mit diesen Fotos jede Anforderung an die Modefotografie der damaligen Zeit. Anstatt wie damals üblich Models wie bessere Kleiderständer abzulichten gab er den Mädchen eine Persönlichkeit. Er machte sie zu starken Frauen. Natürlich eckte er erst einmal mit diesen Fotos an und sie verschwanden in den Schubladen der Vogue, welche das Shooting in Auftrag gegeben hatte. Als aber Anna Wintour zur Vogue kam und diese Fotos vorfand beschloss sie diese Strecke zum Hauptteil der ersten amerikanischen Vogue-Ausgabe unter ihrer Leitung zu machen. Diese Ausgabe wurde zu einer der meistverkauften Vogue aller Zeiten und mit einem Handstreich warden neun Superstars geboren: Die acht Models Cindy Crawford, Tatjana Patitz, Helena Christensen, Linda Evangelista, Claudia Schiffer, Naomi Campbell, Karen Mulder und Stephanie Seymour – ab sofort wurden sie alle als „Supermodel“ bezeichnet – und der Fotograf Peter Lindbergh, welcher nun in seiner eigenen Liga spielte.
Diese Foto der Supermodels waren mit das erste was ich nach der Grenzöffnung bewusst wahrnahm. Es war nun für mich klar, ich musste das Schaffen von Peter Lindbergh verfolgen und ich besorgte mir über die Jahre alles was ich nur in die Hände bekommen konnte.
Peter Lindbergh hat nie gemacht was marktkonform war. Er hat immer seine eigenen Vorstellungen gehabt und diese dann auch umgesetzt. Längst war Peter Lindbergh zu einer Marke an sich geworden. Wenn eine Firma Fotos von Peter Lindbergh machen lies war dies allein schon ein Qualitätsmerkmal. Selbst ich habe mir diverse Zeitschriften gekauft nur weil darin irgendetwas von ihm veröffentlicht wurde. Eine der wie ich finde wichtigsten Veröffentlichungen der letzten Jahre war der Pirelli-Kalender von 2017. Früher war der Pirelli-Kalender für seine nackten Frauen bekannt. Doch in dieser Ausgabe fotografierte Peter Lindbergh berühmte Frauen wie Nicole Kidman, Penelope Cruz, Uma Thurman, Julianne Moore oder Kate Winslet bekleidet und ungeschminkt. Nach meinem Geschmack sind dabei die schönsten Fotos die ich jemals von diesen Frauen gesehen habe entstanden. Aus diesen Fotos ist auch das Buch „Shadows on the Wall“ entstanden – eines meiner Lieblingsbücher, die ich immer wieder in die Hände nehme und in aller Ruhe durchblättere.
Wie bereits oben geschrieben war Peter Lindbergh meiner Wahrnehmung nach immer da. Heute nun ist er gestorben und er hinterlässt eine so große Lücke, wie sie viele erst in einigen Jahren wahrnehmen werden. Möglicherweise wird es in den nächsten Jahren keinen mehr wie einen Peter Lindbergh geben. Wenn ich ein Foto von ihm sah wusste ich das ist von ihm. In Zukunft wird es vielleicht nur noch Fotos geben, die auf Instagram und co Likes bekommen. Alles wird sich in seiner Belanglosigkeit gleichen. Nichts wird so wie eine Lichtgestalt oder eben wie besagter Nordstern herausstechen und als Bezugspunkt und Anker für so viele andere dienen. Vielleicht werden Fotos nur noch gezielt für Likes und Follows gemacht und nicht mehr für das Foto an sich – für Fotos mit künstlerischem Anspruch. Fotos als Kunstform wie sie Peter Lindbergh gemacht hat.
Auch wenn Peter Lindbergh jetzt gestorben ist bleiben seine Fotos und Filme. Sie werden mir weiter als Leitstrahl und Inspiration dienen. Auf Likes und Follows habe ich noch nie wirklich viel Wert gelegt. Ich möchte einfach die besten Fotos machen zu denen ich in der Lage bin. Mein Traum einmal Peter Lindbergh zu treffen wird nun ein Traum bleiben. Es bleibt mir nur ihm ein „Ruhe in Frieden und danke für alles!“ zu wünschen.
Peter Lindbergh ist tot. Lang lebe Peter Lindbergh.
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