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Karl-Ove Knausgård ist einer dieser Autoren die man entweder hasst oder denen man verfällt. In seinem „Min Kamp“-Zyklus welcher aus nachvollziehbaren Gründen nicht wortwörtlich mit „Mein Kampf“ – er meint damit seinen Kampf mit seinem Leben – sondern mit den Einzeltiteln „Sterben“, „Lieben“, „Spielen“, „Leben“, „Träumen“ und „Kämpfen“ veröffentlicht wurde, schreibt er autobiographisch in essayistischer Form über viele Episoden aus seinem Leben. Dies tut er so detailliert, dass man teilweise beschämt ist wieviel man über ihn erfährt. Dann wiederum ergibt das eine extreme Nähe und Intimität und man kann die Bücher nicht mehr zur Seite legen. Ich habe an diesen sechs Büchern mehrere Monate, etwas über ein halbes Jahr, gelesen. Wenn man sich vor Augen führt wieviele Seiten die Bücher haben ist das wohl verständlich:
„Sterben“ umfasst 576 Seiten.
„Lieben“ 768 Seiten.
„Spielen“ 576 Seiten.
„Leben“ 624 Seiten.
„Träumen“ 800 Seiten.
„Kämpfen“ 1280 Seiten.

Anfangs hatte ich grossen Respekt vor der schieren Masse an Büchern, die da vor mir lagen. In Summe 4624 Seiten sind schon eine amtliche Anzahl. Als ich aber „Sterben“ ergriffen habe um „nur mal kurz reinzulesen“ hatte mich Knausgård nach wenigen Seiten gepackt. Ich konnte das Buch nicht mehr weglegen. Immer wieder will man ein paar Seiten lesen um zu wissen wie es nun weitergeht und wundert sich dann nach 40 Seiten wie er diesen Sog erzeugt und man nicht aufhören kann ihn quasi immer genauer kennenzulernen.
Ich habe zu jedem Band eine kleine Bemerkung geschrieben und fasse diese hier zusammen:
Sterben – Karl Ove Knausgård
„Sterben“ ist das erste Buch der autobiografischen Hexalogie von Karl Ove Knausgård – Sechs Bände über jeweils ein essenzielles Thema seines Lebens. In diesem Buch beschreibt er die Beziehung zu seinem Vater und wie er dessen Tod wahrnimmt und verarbeitet.
Wofür sein Kollege Tomas Espedal vielleicht sechzig Seiten benutzt hätte, in Gedichtform, nutzt Knausgård knapp sechshundert. Er beschreibt wirklich jedes Detail und jede Situation in größtmöglicher Detailverliebtheit. Beide Erzählmethoden finde ich sehr reizvoll – so reizvoll, dass ich mit der Zeit auch die anderen Bücher von Knausgård lesen werde.
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Lieben – Karl Ove Knausgård
Die Meinungen über die Literatur von Karl Ove Knausgård spalten sich wohl in „trivial“ und „macht süchtig“. Manche stellen ihn sogar auf eine Stufe mit Marcel Proust. Ich finde es interessant wie er es schafft mich in das Thema – hier ist es seine Liebe und seine Beziehungen – hereinzuziehen und ich dann immer weiterlesen möchte. Für mich haben sich diese 763 Seiten jedenfalls sehr gelohnt!
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„Spielen“ – Karl Ove Knausgård
Im dritten von den sechs Bänden seines großen Epos erzählt Knausgård von seiner Kindheit bis zu seinen frühen Teenagerjahren. Man steigt bei dem Alter von etwa 6 Jahren ein und liest Episoden aus seinem Leben, seiner Beziehung zu seiner Mutter und seinem gewalttätigen teilweise sadistischen Vater, über Musik, Bücher, Freunde, Mädchen, Schule, Fußball, Norwegen, Spielen und 15-Minuten-Schlabber-Küssen. Ich habe inzwischen eine gewisse Abhängigkeit zu Knausgård-Literatur entwickelt.
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„Leben“ – Karl Ove Knausgård
In „Leben“, dem vierten von sechs Bänden dieses Epos, schildert Karl Ove Knausgård autobiografisch von seinen Teenagerjahren und dem Versuch erwachsen zu werden und ein Leben mit Sex, Drogen und Rock’n’Roll zu führen. So zumindest seine Vorstellung.
Ejaculatio praecox.
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„Träumen“ – Karl Ove Knausgård
In „Träumen“, dem fünften von sechs Bänden dieses Epos, schreibt Karl Ove Knausgård autobiografisch von seinem Erwachsen- und Sellbstständigwerden. Es geht um Jobs, Freunde, Liebe, Literatur, Gefühle, Verwandte – vor allem seinem Vater, Schreiben, Alkohol, viel Alkohol und Sex mit Frauen und mit sich selbst.
Man liebt oder man hasst Knausgard und seine Art zu Schreiben. Mich zieht jedes Buch von ihm in die Erzählung und ich fange gleich mit dem sechsten und letzten Band dieser Serie an.
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„Kämpfen“ – Karl Ove Knausgård
Knausgårds „Kämpfen“ ist der abschliessende sechste Band der „Min Kamp“-Hexalogie und mit rund 1280 Seiten auch der umfangreichste. „Kämpfen“ kann man in drei Kapitel aufteilen.
In Teil 1 wird höchst detailliert dokumentiert wie der Alltag eines Karl Ove Knausgård innerhalb seiner Familie während des Erscheinens des ersten Buches und der daraus entstehenden Konflikte mit seiner Familie – vor allem mit seinem Onkel. Weiter geht es um die alltäglichen Probleme und Konflikte
In Teil 2 gibt es einen Exkurs in die Literaturgeschichte, der in einer Betrachtung eines Gedichtes von Paul Celan, welche über dutzende Seiten reicht und in der Knausgård sowohl die allgemeine Architektur des Gedichtes als auch die Bedeutung jedes einzelnen Wortes für sich selbst stehend und im Zusammenhang des ganzen Werkes erläutert. Die Gedichtbesprechung geht fliessend in eine Besprechung von Hitler und dessen „Mein Kampf“ über, welche mit seinen rund 400 Seiten allein schon ein ganzes Buch füllen würde. Das macht auf den ersten Blick keinen Sinn, aber wenn man sich vor Augen hält, das Gesamtwerk Knausgårds, welches aus sechs Bänden besteht, hat im Original den Titel „Min Kamp“, also „Mein Kampf“, sieht das schon wieder ganz anders aus. Weiter macht Knausgård diverse Ausflüge in die Bibel, in den Marxismus und der Werdung Hitlers zu dem was er letztendlich war.
Teil 3 des Buches lässt einen miterleben wie die Bücher der „Min Kamp“-Reihe erscheinen und wie die Mitmenschen, die in den Büchern erwähnten Personen und die Medien darauf reagieren. Ausserdem wird der Kampf von Knausgårds damaliger Frau Linda Boström-Knausgård mit den manischen und den schwerst depressiven Phasen ihrer psychischen Erkrankung und die Auswirkungen auf das Familienleben beschrieben.
Insgesamt perfektioniert Karl-Ole Knausgård noch einmal seine Art zu schreiben. Er schreibt täglich mindestens zehn Seiten das was ihm in diesem Moment einfällt und an was und wie er sich erinnert. Deshalb kann man die Bücher auch nicht als Autobiographie bezeichnen. Sie sind eher ein autobiographischer Roman. Bemerkenswert ist wie Knausgård von der Retrospektive der ersten Bücher immer mehr zu der aktuellen Zeit in Band 6 – also „Kämpfen“ – kommt. Dieses Buch ist fast wie ein belletristisches Tagebuch zu verstehen. In allen Büchern schreibt er zwar in der Gegenwarts-Form – dem Präsens, aber in „Kämpfen“ wird das noch auf die Spitze getrieben indem der Autor sozusagen live und in Echtzeit schreibt. Unerwartet überkommt einen die Paul Celan-Gedichtbetrachtung und die Gedanken zu der Kindheit, Jugend und dem Erwachsenwerden Adolf Hitlers. Das wirkt anfangs unpassend, aber der Sinn ergibt sich im Laufe des Lesens. Ausserdem ist auch das nur die Steigerung der Knausgårdschen Art zu schreiben. Er selbst hat das in Interviews gelegentlich als ein Schreiben was ihm in diesem Moment in den Sinn kommt und an was und wie er sich erinnert beschrieben. Dabei gibt es quasi keine Grenzen und keine Selbstzensur.
Ich konnte dieses Buch nur schwer zur Seite legen und musste immer weiter lesen. Manchmal flucht man warum man sich das antut und dann merkt man wieder wie hoch der Knausgård-Suchtfaktor ist wenn er einen erst einmal erfasst hat.
Ein sehr guter Roman! Für mich eine klare Leseempfehlung!
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Roy
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