Immer wieder lese ich in Artikeln, höre in Podcasts oder sehe in Videos die Behauptung Lightroom sei besser oder eben Capture One ist besser um seine Fotos zu verwalten und zu entwickeln – also um aus der Rohdatei aus der Kamera das fertige Foto zu erstellen. Leider erfahre ich dann immer sich widersprechende Aussagen. Wo der eine behauptet Lightroom – die exakte Bezeichung ist „Adobe Photoshop Lightroom Classic“, aber der Einfachheit halber nenn ich es „Lightroom“ – sei das beste seit geschnitten Brot, ist für den anderen Capture One – hier wiederum ist die korrekte Bezeichnung „Phase One Capture One Pro 12.0.3“ und auch das nenne ich der Einfachheit halber nur „Capture One“ – der wirklich heisse Scheiss.
Was ist nun das für mich passende Werkzeug um meine Fotos so zu verwalten und zu entwickeln, dass ich im Idealfall die besten Ergebnisse erziele und gleichzeitig nur so viel Zeit wie nötig brauche? Um das herauszufinden starte ich hier eine Serie mit Tests, in denen ich unterschiedliche Sammlungen von unterschiedlichen Ereignissen und mit unterschiedlichen Kameras erstellte Fotos in beiden Werkzeugen verarbeite und dann vergleiche.
Disclaimer: Ich habe das sogenannte „Fotografen-Abo“ von Adobe, welches hauptsächlich Photoshop, Bridge und Lightroom (sowohl Lightroom Classic als auch das eher für das cloud-basierte Arbeiten gedachte Lightroom) enthält und bezahle das auch selbst. Genauso besitze ich eine Capture One-Lizenz. Alle von mir für diesen Test benutzten Kameras etc. gehören mir und sind von mir bezahlt. Ich habe für diese Artikel also keine Sponsoren und das ist auch keine Werbung. Ich habe diese Tests für mich gemacht und möchte sie hier teilen.
Fangen wir also an. Ich importiere die mit einer Fujifilm X-T2 und einem 23 mm 1.4 – Objektiv entstandenen Fotos als RAW-Dateien direkt von der Speicherkarte der Kamera über das Bibliotheksmodul in Lightroom. Dafür lege ich für jeden Auftrag oder für jedes Ereignis, das ich fotografiert habe, einen eigenen Katalog an. Das hat sich für mich als am sinnvollsten erwiesen, da dadurch der Katalog relativ schlank bleibt. Auf einer Hochzeit entstehen zum Beispiel wenige hundert bis mehrere tausend Fotos. So erspare ich mir den Stress einer überlaufenden Festplatte im Computer und Lightroom ist bei so wenigen Fotos auch noch hinreichend schnell. Den Katalog nenne ich nach dem Muster „Jahr Monat Tag – aussagekraeftiger Titel“ und so finde ich auch alles schnell wieder. Beim Import lege ich sowohl den Speicherort als auch die Metadaten in Form meiner Urheber- und Kontaktdaten per gespeicherter Vorgaben fest und lasse Smart-Vorschauen erstellen. Anschliessend suche ich bei sich ähnelnden Fotos über die Übersicht (besagte Fotos alle auswählen und Taste „N“ drücken) das beste heraus und erstelle so eine erste Auswahl mit einem Stern (Taste „1“ gibt dem ausgewählten Foto einen Stern). Das wiederhole ich so lange bis ich die gewünschte Auswahl habe und wechsele dann ins Entwickeln-Modul.
Im Entwickeln-Modul nehme ich erst einmal das erste Foto und ändere grundlegende Dinge. Das Lightroom aufgrund der besonderen Sensoren – das sind keine Sensoren mit einer Bayer-Matrix wie in fast allen herkömmlichen Kameras sondern welche mit einer XTrans-Matrix – nicht so richtig perfekt mit den Fotos aus den Fujifilm-Kameras zusammenarbeiten will muss man da etwas mit der Brechstange nachhelfen. Ich benutze zum Schärfen die Einstellungen Betrag 35; Radius 3.0; Details 100; Maskieren 80. Diese Infos habe ich irgendwann einmal im Internet gefunden und durch Ausprobieren für gut befunden. Weiter habe ich bei den Grundeinstellungen für die in diesem Vergleich gezeigten Fotos das Kamera-Profil „Kamera CLASSIC CHROME“ ausgewählt. Das entspricht den von Fujifilm in den Kameras zu Verfügung gestellten Einstellungen für das Fotografieren von fertigen JPG-Fotos und ist dem legendären Dia-Film Kodak Ektachrome nachempfunden, welchen ich sehr mag. Dieses Profil erscheint allerdings nur wenn man mit einer Fujifilm-Kamera fotografiert hat. Anschliessend synchronisiere ich diese Einstellungen über alle Fotos der Auswahl und habe somit schon einmal die Schärfung durchgeführt und den grundlegenden Look festgelegt.
Nun folgt das was ich liebevoll „Roy’s Roh- und Rotzig-Entwicklung“ nenne. Im Prinzip habe ich für die Fotos aus diesem Vergleich nur wenige Einstellungen angepasst: die Belichtung falls nötig korrigiert, ein wenig mehr Kontrast, den Weissabgleich in Form von Farbtemperatur und Tonung angepasst und in Einzelfällen die Lichter und die Tiefen verändert. Bei hohen ISO-Zahlen habe ich noch entrauscht. Das wars aber eigentlich schon. Farbton, Sättigung und Luminanz der einzelnen Farben habe ich diesmal genauso unberührt gelassen wie auch die Gradationskurve. Das kann ich ja in späteren Tests vielleicht einmal vergleichen. Um Lightroom und Capture One vergleichen zu können wollte ich aber nur eine überschaubare Anzahl an Einstellungen verändern und im wesentlichen sollten die genannten auch die Anpassungen sein, bei denen man es für meinen Geschmack meist belassen sollte. Bei den meisten Fotos verändere ich nicht mehr als das.
Exportiert habe ich die Fotos dann so wie ich sie für die sozialen Medien erstelle: als JPG mit 2000 Pixel an der langen Kante und mit rund 80 Prozent Qualität. Bei Bildern mit der Größe erkenne ich bei bestem Willen keinen Unterschied zwischen 100 und 80 Prozent und die Dateigröße ist signifikant geringer, was wiederum wichtig ist wenn die Fotos schnell geladen werden können sollen.
Wie man sich das bei einem Vergleich denken kann habe ich die Fotos auch noch in Capture One entwickelt. Dafür habe ich Capture One geöffnet und einen neuen Katalog erstellt (Datei / Neuer Katalog). Anschliessend kann man entweder die RAW-Dateien selbst importieren und wieder eine Auswahl erstellen. Das funktioniert aber quasi genauso wie in Lightroom: Man wählt die Fotos aus denen man eines herauspicken will aus und sucht dann per Vergabe von Sternen und Farben den Favoriten aus.
Da ich dies aber schon in Lightroom erledigt habe kann ich mir die doppelte Arbeit sparen. Capture One hat dafür eine Funktion mit der man einfach einen Lightroom-Katalog importieren kann (Datei / Katalog importieren / Lightroom Katalog…). Dabei werden die Sammlungen, Ausschnitte, Drehungen, Ausrichtungen, Weissabgleiche, Belichtungen, Sättigungen und Kontraste übernommen. Die Farbanpassungen werden nur Pi mal Daumen übernommen.
So habe ich quasi alles schon erledigt und muss nur noch minimale Anpassungen machen. Um ehrlich zu sein kam ich dann etwas ins Spielen. Man kann Capture One zwar so einstellen, dass es wie Lightroom aufgebaut ist: am unteren Bildrand den „Filmstreifen“ – also die Miniaturansichten der Fotos nebeneinander, rechts die Einstellmöglichkeiten und zentral in groß das aktuelle Foto, aber ich nutze die Standard-Ansicht, bei der links die Einstellmöglichkeiten, in der Mitte das Foto in groß und rechts die Bildminiaturen untereinander angezeigt werden. Interessanterweise macht mir das Arbeiten mit Capture One echt Spass! Ich finde wahrscheinlich noch heraus ob das nur das klassiches „Neue Besen kehren gut!“ ist oder ob das an Capture One liegt.
Etwas was beim Import des Lightroom-Kataloges nicht mit übernommen wird sind die Kameraprofile – also hier das oben erwähnte „Kamera CLASSIC CHROME“. Capture One hat aber genau die gleiche Funktion. Direkt unter dem Reiter „Farbe“ kann man bei den „Basismerkmalen“ das ICC-Profil, die Kurve und die Engine einstellen. Das ICC-Profil wird automatisch erkannt – in meinem Fall ist das „Fujifilm X-T2 Generic“. Als Kurve kann man wie in Lightroom auch die Einstellungen, die den JPG-Einstellungen in der Kamera nachempfunden sind, auswählen. Da gibt es zum Beispiel „Fujifilm Acros“, „Fujifilm Eterna (Cinema)“, „Fujifilm Classic Chrome“ und noch einige weitere. Ich habe hier wie in Lightroom „Fujifilm Classic Chrome“ ausgewählt. Als Engine dient die von Capture One 12.
Die Einstellungen für Belichtung, Kontrast und alles weitere sind die gleichen wie in Lightroom. Schärfen muss man wenn man eine Fujifilm-Kamera hat mit Capture One nicht so mit der Brechstange wie mit Lightroom. Ich habe im Reiter „Details“ unter „Schärfung“ für die Stärke 140, für den Radius 0,8 und als Schwellenwert 1 ausgewählt. Unter „Rauschreduzierung“ habe ich bei Fotos mit hohen ISO-Werten bei Helligkeit 50, bei Details 50 und bei Farbe 50 eingestellt.
Das wars schon!
Der anschliessende Export ist wie in Lightroom: Einfach für die lange Kante 2000 Pixel und als Qualität 80 einstellen und bestätigen.
Mein Fazit:
Ehrlich! Es ist egal! Ich habe hier Fotos bei denen es keinen wirklichen Unterschied macht mit welcher Software sie fertig entwickelt werden. Wenn ich nicht dazuschreiben würde welches Foto mit Lightroom und welches mit Capture One verarbeitet wurde würde man es nicht erkennen. Die Ergebnisse finde ich alle überzeugend. Bei einzelnen kann man vielleicht noch ein wenig spielen, aber grundsätzlich könnte ich die alle so wie sie sind in den sozialen Medien veröffentlichen. Da ich jetzt Lust bekommen habe mich noch weiter in diesen Vergleich einzu-nerden werde ich in unregelmässigen Abständen noch den einen oder anderen Beitrag schreiben. Dazu werde ich noch Fotos aus einer anderen Kameras vergleichen und auf andere Aufnahmegebiete eingehen – Capture One soll ja angeblich seine Stärken gegenüber Lightroom bei solchen Bereichen wie Portrait ausspielen. Schauen wir mal!
Hier nun die Ergebnisse:
5 Comments
Hallo Roy,
interessanter Beitrag. Dafür schon mal vielen Dank, weil mich die Frage auch gerade bewegt (hat). Obwohl Dein verbales Fazit zwar nahezu „unentschieden“ lautet, sprechen Deine Bilder aber eindeutig für Lightroom. Einige Phase One Exporte haben einen für meinen Geschmack sehr unschönen Rotstich, der sich zwar beseitigen lässt, aber zusätzliche Arbeit erzeugen würden. Deshalb werde ich wohl doch bei dem unschönen Abo-Modell von Adobe bleiben, obwohl ich die Vorstellung einer Einmal-Lizenz von Phase One, für die ich momentan auch noch 25% Rabatt und weiterhin alle Upadtes bekommen würde, sehr verlockend finde, statt jährlich denselben Betrag an Adobe abzudrücken.
Schön fand ich übrigens auch, dass Deine Bespielfotos in meiner thüringischen Heimat entstanden sind 🙂
Hallo,
Ich weiß nicht was du da gemacht hast, aber die Fotos sind in Capture One definitiv nicht richtig bearbeitet worden (sorry!). Ich habe lange mit Lightroom gearbeitet und bin dann wegen der Abo Geschichte zu Capture One gewechselt. Die Umstellung war anfangs groß, aber nun bin ich wirklich froh es gemacht zu haben. Alleine die Individualisierung ist in C1 endlos…man kann (und sollte auch) sich kann alles so einrichten wie man es braucht oder schön findet, die definierbaren Shortcuts für ALLES sind ein Traum. Die Möglichkeit die vorhandene Ordnerstruktur auf dem Laufwerk zu belassen und einfach die Ordner neu zu syncen und damit alle neuen Fotos der Bibliothek zuzufügen ist einfach gut gelöst. Ich könnte noch endlos weiter machen. Nur fürs Protokoll: Ich finde Lightroom nach wie vor gut, aber C1 finde ich persönlich deutlich besser! Das obwohl ich Sony bin und nicht Fujifilm. Übrigens ist die Einarbeitung total einfach…es ist hakt nur eine Umstellung. Aber die Mär, dass C1 so kompliziert wäre ist wirklich Quatsch. Was ich an Lightroom allerdings besser finde ist der Umgang und die Darstellung der GPS Daten. Soetwas gibt es in C1 leider nicht.
Der auffallende Rotstich in deinen Fotos ist bei mir noch nie ein Thema gewesen…in Gegenteil finde ich dass C1 gerade mit Farben deutlich besser im Sinne von neutraler umgeht. Ich finde auch die Fotos die mit C1 entwickelt werden einfach „knackiger“…
Hallo Daniel,
wie im Text zu lesen („Farbton, Sättigung und Luminanz der einzelnen Farben habe ich diesmal genauso unberührt gelassen wie auch die Gradationskurve.“) habe ich die Fotos nur in Lightroom und Capture One geladen und die Einstellungen des Fujifilm-spezifischem Classic Chrome anwenden lassen. Weitere Einstellungen habe ich zu diesem Zeitpunkt nicht gemacht. Das wäre dann vielleicht ein Thema für einen weiteren Beitrag. Allerdings stelle ich in Frage, dass man dann wirklich Unterschiede zwischen Lightroom und Capture One sieht. Welches Programm man benutzt ist am Ende eine Geschmackssache des Benutzers und der Benutzerin.
Grüße
Roy
Hallo Roy,
vielen Dank für den Vergleichstest. Ich habe mir gerade die C1-Trialversion installiert und spiele etwas herum. Ausgehend davon, dass mir LR beim Export extrem langsam vorkommt, stehe ich selber gerade vor der Frage, ob ich mir C1 zulegen soll (habe selber auch das Adobe-Fotografen-Abo). Ich vermute aber mal, dass mein „Problem“ anderswo liegt, und ehrlich gesagt, habe ich auch keine Lust, 2 Abos zu bedienen, wenn es eines auch tut (bzw. die Vollversion kaufen zu müssen). Andererseits hat Foto Erhardt gerade ein interessantes Angebot (X-T3 mit gratis C1) – das wäre ein Grund, mir das doch zuzulegen. Wiederum auch sinnfrei, wenn beide Programme dasselbe tun. Nun denn, ich werde wohl doch bei Adobe bleiben, da ich auch Photoshop letzten Endes immer mal benötige…
Viele Grüße aus Flensburg, Tilman
Hallo Tilman,
letztlich kommt man mit beiden Programmen zum Ziel. Viele finden die Bildverwaltung in Katalogen in Lightroom besser. Andere behaupten C1 geht besser mit den Farben um und man könne diese – im Speziellen Hauttöne etc. – besser anpassen. Es muss jede/r das finden was für ihn/sie am besten funktioniert. Meiner Meinung nach nehmen die Programme sich nicht wirklich viel. Sie haben nur unterschiedliche Stärken, aber die gleichen sich auch immer mehr an.
Grüße aus Thüringen
Roy