Jeder und jede Kreative kennt das Problem mit der Kritik. Man kann noch so viel Lob und Anerkennung ernten, erreicht einen auch nur eine Kritik ist es dahin mit dem Selbstbewusstsein und man stellt alles in Frage. Das geht wohl allen quer durch alle kreativen Berufe so. Da kann man mit schreibenden Menschen genauso sprechen wie mit Malern oder Fotografen, mit Designern genauso wie mit Karikaturisten oder Bildhauern.

Ich bin selbst mein grösster Kritiker. Alles was jemand an meinen “Werken” kritisieren könnte habe ich garantiert schon dutzende Male durchdacht und überlegt ob ich es überhaupt veröffentlichen kann. Gerade in letzter Zeit werde ich immer kritischer. Ich will weder publizieren was schon milliardenfach von anderen gemacht wurde und es muss so gut sein, dass ich es zu diesem Zeitpunkt nicht besser hätte machen können.
Da kommen wir schon zu meinem nächsten Problem: mein Perfektionismus. Ich versuche immer alles möglichst perfekt zu machen. Das macht das Leben im allgemeinen und als Fotograf im speziellen natürlich nicht einfacher. Da wo andere einfach etwas „hinrotzen“ und das reicht dann auch noch versuche ich die Qualität des Endproduktes – in meinem Falle eben der Fotos noch mehr zu steigern. Gerade in letzter Zeit gehe ich immer mehr dazu über, lieber der heiligen Regel der Social Media-Plattformen regelmässig etwas zu posten zu widerstehen und lasse es lieber sein um nur wirklich Fotos zu veröffentlichen, von denen ich behaupte, besser kann ich die nicht hinbekommen. Diesem Anspruch sind schon viele Fotos und sogar ganze Serien zum Opfer gefallen, die jetzt in meinem digitalen Giftschrank liegen und da wohl auch nicht wieder herauskommen werden.
Selbst bei Kundenanfragen habe ich diesen Anspruch des Perfektionismus. Als erstes stelle ich mir eigentlich immer die Frage „Bin ich gut genug um diesen Auftrag in bester Qualität durchzuführen und abzuliefern?“. Wenn ich sehe was in vielen Kampagnen für Fotos verwandt werden denke ich zwar fast immer „Das könnte ich besser! Mit einem Smartphone! Die Hände hinter dem Rücken zusammengebunden! Ohne auf das Display zu schauen!“, aber wenn ich dann so einen Auftrag angeboten bekomme zweifle ich trotzdem ob ich das auch perfekt hinbekomme.
Dann hat man selbst natürlich auch bei Kundenaufträgen einen gewissen Anspruch. Wenn man es genau nimmt gibt es sogar mehrere davon: die Ansprüche des Kunden und die eigenen.

Der Kunde hat ein gewisses Ziel und ein gewisses Budget um dieses zu erreichen. Will eine Bekleidungsmarke beispielsweise eine Kampagne für eine Kollektion fotografiert bekommen, hat dafür aber kein Geld und will trotzdem, dass das wie bei einem Peter Lindbergh aussieht läuft da grundlegend etwas falsch. Ich hatte schon einmal eine ähnliche Anfrage, die ich eben aus diesem Grund abgelehnt habe. Das nicht vorhandene Budget hat nicht ausgereicht um das auch nur annähernd gut – geschweige denn perfekt hinzubekommen. Lieber lasse ich so etwas gleich sein als Müll abzuliefern!

Ein weiteres Beispiel ist das Angebot ich solle eine Hochzeitsreportage vom Anlegen des Kleides am Morgen, dem sogenannten Getting Ready, bis zur Party spätnachts für drei- bis vierhundert Euro fotografieren – brutto wohlgemerkt, inklusive Copteraufnahmen, Büchern und allen Extras. Es ist schlichtweg unmöglich für diesen Preis einen guten Hochzeitsfotografen zu buchen. Da muss man sich nicht wundern wenn man dann nur Müll überreicht bekommt.

Andererseits gibt es natürlich auch Aufgaben für die ich schlicht weg einfach nicht geeignet bin. Alle Gewässer die tiefer als eine Badewanne sind sind mir zutiefst suspekt und ich gehe da nur sehr widerwillig herein. Wenn mich jetzt jemand fragen würde ob ich Unterwasserfotos in zwanzig Meter Tiefe machen könnte würde ich denken ich habe mich verhört. So etwas kann ich garantiert nicht!
Wenn dann aber einmal jemand kommt und alles passt gebe ich auch wirkich alles um perfekte Arbeit abzuliefern!

Wie man sieht ist es so ein Leid mit den eigenen Ansprüchen. Aber immerhin gebe ich immer mein bestes!

Roy
Die Fotos der Galerie zu diesem Artikel habe ich an einem nebeligen Novembertag analog mit einer Leica R4 mit 50mm-Objektiv auf Ilford HP5 bei ASA 1600 erstellt. Sie wurden nur eingescannt und sind ansonsten unbearbeitet.


