Das Echo der Photokina ist noch nicht verklungen und Weihnachten lässt schon langsam sein Rufen erklingen. Eine gute Gelegenheit einmal etwas philosophisch kritisch zu werden.
Auf der eben genannten Photokina wurden wieder jede Menge neue Kameras und Zubehör vorgestellt. Die können jetzt noch mehr Megapixel, mehr Fotos pro Sekunde, noch mehr Fokuspunkte, noch mehr Schärfe. Kurz: Noch mehr von allem. Schon nach den Anküdigungen der Hersteller haben die ersten Personen versucht ihre Ausrüstung auf Facebook und eBay zu verkaufen um Platz für den neuen heissen Scheiss zu schaffen. Da ich ja nun auch schon einige Jahre auf diesen Plattformen unterwegs bin sehe ich immer wieder Kandidaten, die sich alle halbe Jahre einen kompletten Systemwechsel genehmigen und die sechs Monate „alte“ Kamera mit all ihren Objektiven und den Blitzen nur noch Mist produziert und das neue System natürlich nur noch die geilsten Bilder die man sich vorstellen kann macht. Wir reden da nicht selten über Investitionen von 10.000 Euro oder mehr! Nach dem Kauf diskutieren sie an allen möglichen und unmöglichen Orten im Internet und in dem was man „reales Leben“ nennt, scheinbar um sich selbst die Ausgaben schönzureden.
Von manchen von diesen Kandidaten habe ich noch kein einziges Fotos gesehen!
Das scheint ein allgemeines Problem zu sein. Man diskutiert täglich stundenlang welche Marke die beste ist, welche Sensorgröße man denn unbedingt brauche, welches Objektiv man denn unbedingt haben muss um professionelle Qualität abliefern zu können. Dabei vergessen viele worum es eigentlich geht: Um das Fotografieren!
Das scheint allgemein ein Problem von vielen Kamerabesitzern zu sein. Ich schreibe absichtlich Kamerabesitzer, weil ich denke, nicht jeder mit einer Kamera ist auch automatisch ein Fotograf oder eine Fotografin. Neben dem oben erläuterten Phänomen des „Kamera besitzen müssen“ gibt es nämlich auch noch das des Kopisten. Ich kann inzwischen zeitlich relativ treffsicher voraussagen wann im Internet was für Bilder gepostet werden.
Ganzjährig immer gehen eigentlich halbnackte und nackte Frauen – gern vor einem Sonnenuntergang. Wenn man sich für etwas besser hält knallt man der Dame vor der Kamera noch mit einem Blitz ordentlich Licht ins Gesicht und in die davon tränenden Augen. Wahlweise kann man auch einen Reflektor nehmen um das Model zum Weinen zu bringen. Jetzt im Herbst fallen natürlich wie jedes Jahr die Blätter von den Bäumen. Laubfotos gehen immer! Da kann man dann auch hübsch eine Nackte drin drapieren. Wenn der erste Schnee fällt freuen sich dann Urologen und Frauenärzte weil die Mädels glauben nackt in der Kälte des Winters posieren zu müssen – am besten noch mit Weihnachtsmannverkleidung – und sich dabei den Tod – oder zumindest einen Harnwegsinfekt – holen. Wie gesagt: Nackte gehen immer und sie bringen ordentlich Likes!
So bald im Frühjahr die ersten Blüten blühen geht das wieder los: Halb- oder gleich ganznackte auf der Blumenwiese, unter dem blühenden Apfel,- Kirsch- oder was zum Teufel auch immer Baum. Kurz danach springen alle in den Rapsfeldern rum, gefolgt von Meeren von Mohnblüten. Wenn ich nur daran denke falle ich vor Langeweile in einen komatösen Tiefschlaf!
Im Sommer gehts natürlich ganz rund! Gefühlt hat dann niemand mehr Klamotten an. Da wird überall ohne Sinn und Verstand nackig rumgerannt: Wiesen, Felder, Wälder, verlassene Gebäude, auf, im und unter dem Auto, manchmal sogar direkt in der Stadt.
Wenn Herbst ist und die Blätter fallen… geht der Lauf von vorne los.
Auch gut gehen Zootiere. Da bekommt man ja recht einfach nette Ergebnisse. Die Tiere sind immer da und können nicht weglaufen. So nach dem Motto „Löwe fotografieren und alles um den Löwen herum schwarz machen und schon hat man ein ach so eindringliches Foto“.
Landschaften funktionieren auch immer. Da dann aber als HDR mit allen Reglern am Anschlag, auch bekannt als Clownskotze. Man muss ja zeigen was man kann oder viel mehr was die Technik hergibt!
Ich kann den Scheiss nicht mehr sehen!
Es ist immer das gleiche! IMMER! WIEDER!
Es werden immer die gleichen Motive nachfotografiert und das wird dann Kreativität genannt. Dazu wird dann immer wieder die neueste gerade erschienene Kamera gekauft weil die „alte“ ja plötzlich der letzte Mist und alles was sie produziert absolut unbenutzbar ist.
Dabei werden einige Fakten ausser Acht gelassen.
Erstens: So abgedroschen das klingen mag, aber der Fotograf macht das Foto. Die Kamera ist nur das Werkzeug. Seit einigen Jahren sind die Kameras so gut, immer wenn mich irgendjemand fragt was man sich kaufen sollte, sage ich „Geh in den Laden und teste was sich für Dich gut anfühlt und ausserdem schau was Deine Freunde benutzen und ob Ihr Euch eventuell das gleiche System holt um Euch untereinander Ausrüstung ausleihen zu können!“. Wenn man ehrlich zu sich selbst ist braucht man in den seltensten Fällen weder fünfzig Megapixel-Fotos noch zwanzig oder mehr Bilder in der Sekunde. Immer die neueste Kamera haben zu wollen verbrennt nur unnötig Geld, welches man viel besser in Bildung – auch fotografische Bildung – und Reisen stecken könnte! Im Gegenteil! Man braucht wenn man eine neue Kamera hat oft mehrere Monate oder bei täglicher Nutzung zumindest mehrere Wochen um sie wirklich zu kennen und blind bedienen zu können.
Da kommen wir zur Kreativität. Immer die neueste Kamera haben zu wollen ist G.A.S. – Gear Aquisition Syndrome. Das hat aber nichts mit Kreativität zu tun! Wenn man die Kameras den Weissabgleich einstellen, ISO, Blende und Belichtungszeit wählen und den Fokus bedienen lässt macht nicht die auf den Auslöser drückende Person die Fotos sondern die Ingenieure, die irgendwann einmal die Software der Kamera geschrieben haben! Kreativ ist man wenn man sich eigene Bildideen ausdenkt und mit anderen Personen zusammen erarbeitet, dann gemeinsam herausfindet was man dafür für Accessoires braucht und wo man das Shooting durchführen will und nicht die immer gleichen Facebook-Fotos immer wieder von neuem kopiert. Wenn man fotografiert sollte man sich selbst erarbeiten was passiert wenn man am Weissabgleich schraubt, wenn man selbst ISO, Blende und Belichtungszeit einstellt und ja, auch den Fokus manuell wählt und auch mal gezielt mit Unschärfen spielt.
Die Hoffnung, dass sich in den Fotogruppen auf Facebook in Bezug auf die angesprochenen Themen etwas ändern wird habe ich längst verloren. Deshalb bin ich immer seltener auf Facebook aktiv und werde das wohl auch zukünftig immer weniger sein. Ich ziehe meine Inspiration aus anderen Quellen. Das Leben als solches, Fotobücher anderer Fotografen, Kunstbände, Literatur, Filme und was es sonst noch so gibt lassen viel mehr Ideen für Fotoprojekte in mir entstehen als es Fotogruppen auf Facebook jemals könnten!
Ich will nicht die millionste Version von etwas altem machen.
Ich will neue Gebiete ausprobieren, erforschen und perfektionieren.
Ich will Risiken eingehen in dem Bewusstsein scheitern zu können oder eventuell etwas wirklich innovatives abzuliefern.
Roy
Bonustrack: Ist eigentlich schon mal jemand auf die Idee gekommen die „Adam und Eva“-Geschichte fotografisch umzusetzen? Als Schlange könnte man ja auch eine Geliebte von Adam sehen und als vergifteter Apfel ihren Hintern! Wenn Adam in den Hintern …ähem… Apfel beisst wird Eva so richtig sauer und das wars dann für Adam. Nur so eine Idee! Ich mein ja nur! 😉



