Ich habe einen Fetisch. Die Leute, die denken ich würde hier jetzt Details über mein Sexleben offenlegen können bitte gleich wieder gehen. Es geht hier natürlich nur um einen fotografischen Fetisch!
Besagter Fetisch ist das fotografische Panorama. Um genau zu sein das Panorama mit dem Seitenverhältnis 6×17.

Wenn ich ein Panorama dieses Formates anschaue – erst recht wenn es in einer gewissen Grösse präsentiert wird – schaltet mein Gehirn fast automatisch in den Kino-Modus. Es kommt einem vor als schaut man direkt auf die riesige breite Kinoleinwand und der Film geht los.
Allerdings stellt dieses Format auch gewisse Ansprüche an die Komposition. Man hat extrem viel Bildraum, den man füllen muss um kein langweiliges Foto zu erzeugen. Ein 6×17-Panorama ist fast doppelt so breit wie ein herkömmliches Bild im Querformat. Das heisst auch viel Platz für Müll. Man kann aber auch einiges weglassen. Wenn bei einem normalen Foto ein Bildteil den grössten Bildbereich einnimmt und das nicht wirklich viel zum guten Foto beträgt könnte man ein grosses Stück dieses Bereiches weglassen wenn man es als Panorama umsetzt. Ich denke das erklärt die Herausforderung.
Schon lange fotografiere ich immer wieder Panoramafotos. Bis vor kurzem ausschliesslich digital. Da hatte ich so ziemlich die komplette Ausrüstung, die man so braucht: ein echt stabiles Stativ, meine echt gute Kamera mit ebenso guten Objektiven und natürlich einen Nodalpunktadapter der besten Sorte. Einen Nodalpunktadapter benötigt man um den sogenannten Parallaxenfehler zu vermeiden. Dieser tritt auf wenn man ein Panorama aus der Hand oder auch vom Stativ aus fotografiert und sich dabei um die eigene Achse dreht. Je weiter die Kamera dann von dieser Hochachse entfernt ist umso stärker tritt der Parallaxenfehler auf. Je näher dann noch die abgebildeten Objekte zur Kamera stehen umso auffälliger wird das ganze dann auch noch. Vermeiden kann man das mit dem eben erwähntem Nodalpunktadapter, mit dem man den Drehpunkt der Kamera genau so einstellt, dass es keinen Parallaxenfehler mehr gibt.
Um den Parallaxenfehler zu verstehen kann man ein kleines Experiment machen:
Man sucht sich irgendwo zwei Gegenstände, die man schön auf einen Blick erfassen kann – nehmen wir einfach einmal zwei Gläser, die nicht weit voneinander auf einem Tisch stehen. Wenn man diese Gläser mit beiden Augen anschaut ist noch alles ganz normal. Wenn man jetzt aber ausschliesslich mit dem linken Auge auf die Gläser schaut und dann das rechte Auge öffnet während man das linke schliesst und das immerwieder wiederholt fängt das Bild der Gläser an hin- und herzuspringen. Tadaaaaa! Der Parallaxenfehler. Also zumindest sehr einfach erklärt.
Aber zurück zum Thema meines Panorama-Fetisches.

Bisher habe ich diese also immer digital erstellt. Dabei werden mehrere Fotos die sich immer ein wenig überlappen aufgenommen und dann im Computer so übereinandergelegt, dass sie ein entsprechend grosses Bild, ein Panorama, ergeben. Wenn man es noch grösser haben will kann man da natürlich auch mehrere Reihen übereinander aufnehmen und ein noch größeres Panorama erstellen. Nach ob sind da keine Grenzen was Aufwand und Größe des Endergebnisses angeht. Es gibt sogar Spezialisten, die treiben es so weit, dass das Ergebnis viele Gigabyte gross ist. Das ist zum Beispiel bei Stadtaufnahmen besonders spannend. Wenn man ein Foto, also eher ein Gigapixelfoto, von zum Beispiel London hat denkt man sich nichts weiter. Wenn man dann aber bemerkt man kann in das Foto hereinzoomen und das immer noch ein Stück und noch ein Stück – so weit, dass man quasi die Dachziegeln des letzten Hauses am anderen Ende der Stadt zählen kann, wird das schon sehr spannend.
Das Problem bei solchen digitalen Panoramen ist aber die Tatsache, man braucht mehrere Einzelaufnahmen. Das wiederum heisst es darf sich im Bild eigentlich nichts bewegen. Wenn da eine Oma mit Rollator während der Aufnahmen durch das Panorama rennt kann man das ja noch als lustigen Gag verkaufen wenn sie dann mehrmals abgebildet ist, aber bei sich im Wind wiegenden Bäumen oder ähnlichem wird es richtig nervig. Wenn sich da wo sich die Einzelaufnahmen überlagern einzelne Bildelemente überlagern hat man dann natürlich das Problem, die Fotos passen nicht mehr zu hundert Prozent übereinander. Oder anders ausgedrückt: Man hat nur noch Pixel-Matsch. Da fängt man dann an jedes einzelne Blatt vom Baum von dem einen Bild wegzumalen damit am Ende nur noch die Daten von anderen Bild vorhanden sind.
Als mir das irgendwann einfach nur noch auf die Nerven gegangen ist habe ich nach anderen Möglichkeiten gesucht.
In etwa zu der Zeit, in der ich verstärkt Panoramen fotografiert habe, habe ich auch wieder angefangen mich mit analoger Fotografie zu beschäftigen. So richtig das volle Programm mit Jahrzehnte alten Kameras, Filmrollen, Film selbst entwickeln im eigenen Fotolabor und dann auch noch die einzelnen Fotos auf entsprechendes Papier vergrössern.
Mit immer grösser werdendem Wissen habe ich mich dann gefragt ob man Panoramen nicht auch analog fotografieren kann. Natürlich kann man das! Die bequemste Möglichkeit ist es eine Kamera zu kaufen, in die man einen guten alten Kleinbildfilm einlegt und die dann einen entsprechend grossen Bildwinkel aufnimmt. Da gibt es Kameras in allen Geschmacks- und Qualitätsstufen. Es gibt billige Plastikkameras, die teilweise auch noch den gelochten Rand belichten – ein Beispiel ist die Spocket Rocket von Lomography, deren Ergebnisse aber eher als „Kunst“ bezeichnet werden sollten – oder es gibt auch Kameras, die wirklich gute Ergebnisse liefern, wie zum Beispiel die Hasselblad XPan, welche dann aber gleich mal richtig viel kostet. Noch vor wenigen Jahren konnte man diese Kamera um die tausend Euro erwerben und jetzt liegt sie meist schon über zweitausend Euro, Tendenz steigend. Das war mir für eine Kleinbildkamera aber wirklich zu viel Geld – auch wenn sie Panoramen aufnimmt und Hasselblad draufsteht.
Ich wollte etwas grösseres! Kleinbild ist ja schon hübsch und man kann es auch gut mitnehmen, aber aus meiner Erfahrung mit der Mittelformatfotografie wusste ich aber, aus Mittelformatfilm kann ich viel mehr herausholen. Es muss mindestens eine Kamera sein, die die Panoramen auf Mittelformatfilm aufnimmt. So viele gibt es da aber gar nicht. Eigentlich gibt es da neben ein paar chinesischen Herstellern mit teilweise sehr minderwertigen Kameras nur die Hersteller Fuji und Linhof.
Bei Fuji werden die Kameras seit Jahren nicht mehr produziert. Man muss also gebraucht kaufen. Es gibt da die Fuji G617 mit einem fest verbautem Objektiv und die Fuji GX617 mit wechselbaren Objektiven. Die G617 fängt preislich bei etwa dreitausend Euro an und die GX617 ist im Prinzip was den Preis angeht je nach Zustand und Umfang des Zubehörs nach oben offen.
Bei Linhof kann man sogar noch neu kaufen. Super! Als ich mir aber den Katalog und die Preisliste von der Linhof-Internetseite heruntergeladen habe kam aber ganz schnell die Ernüchterung. Nur die Kamera und ein „klein wenig“ Zubehör im Sinne von Shift-Adaptern um bei Architekturaufnahmen stürzende Linien zu vermeiden, einem Transportkoffer und vielleicht zwei Objektiven – ein weitwinkliges und eine Tele – kamen auf meiner provisorischen Einkaufsliste auf über 15.000,- Euro – in Worten: FÜNFZEHNTAUSEND!
Das überstieg dann aber meine finanziellen Mittel bei weitem!
Mehr oder weniger aus Frust und weil ich trotzdem Panoramen auf Mittelformatfilm fotografieren wollte habe ich mich bei sogenannten Lochkameras umgeschaut. Die gibt es auch in unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen von mit der CNC-Fräse aus dem Vollen gefräst über mit dem 3D-Drucker erstellte bis zu welchen aus Holz mit Messingapplikationen. Schlussendlich bin ich bei ZeroImage gelandet. Die sitzen in China und werden in Deutschland von der Firma Monochrom vertrieben. Ich finde die Kameras wirklich hübsch und Monochrom war so freundlich mir eine direkt aus China zu bestellen und zu einem fairen Preis zu verkaufen.
Mit dieser ZeroImage-Lochkamera habe ich die Serie aus meinem Blogbeitrag „Wider des Vergessens“ fotografiert. Dabei fällt aber auf, alles im Bild ist zwar scharf, das was sich während der Aufnahme bewegt hat ist aber verschwommen und zum Rand hin werden die Panoramen immer dunkler. Das sind die Probleme, die man sich einfängt wenn man kein wirkliches Objektiv sondern nur ein Loch mit Blende 161 an der Kamera hat.
Also so richtig hochwertig sind die Fotos aus dieser Lochkamera auch nicht und ich werde sie wohl eher für den Bereich „Kunst“ einsetzen.
Weitersuchen.

So eine Grossformatkamera hat mich irgendwie schon immer gereizt. Bei meinen Recherchen bin ich auch immer wieder über solche Konstruktionen gestolpert, die man sich hinten an die Grossformatkamera adaptieren kann. Für die die es nicht wissen, eine Grossformatkamera ist so ein Ding, wie man sie zum Beispiel aus Western kennt. Eine Kamera die in der Mitte einen Balgen hat, welcher optisch einer Ziehharmonika ähnelt, und hinter der der Fotograf unter einem Tuch verschwindet um die Kamera einzustellen.
So habe ich irgendwann eher aus reinem Interesse in einem Forum für Grossformatfotografie gepostet ich würde mich für eine entsprechende Kamera interessieren und ob man mir Tipps geben könne was ich zu beachten habe um keinen Müll zu kaufen. Schnell erhielt ich eine private Nachricht von einem der am längsten angemeldeten Mitglieder, in der er mir schrieb, ich könne doch seine kaufen. Er habe sowieso mehrere und müsse etwas verkaufen um Platz für anderes zu bekommen. Die Kamera war in einem fast neuwertigen Zustand und er hat mir einen Preis gemacht, den ich nicht ablehnen konnte.
Jetzt war klar, ich werde auch auf Grossformat fotografieren und da dies in diesem Grossformatforum schon mehrere Personen getestet und für gut befunden hatten wollte ich auch Panoramen mit dieser Kamera fotografieren – auf Mittelformatfilm! Es musste also noch so ein Rückteil her!
Wenige Wochen später hatte ich alles notwendige zusammen und die ersten Panoramen fotografiert. Die Ergebnisse sind besser als ich zu hoffen gewagt habe!
Nur um einen Vergleich zu machen, damit man sich das vorstellen kann. So eine normale Kamera in die man Kleinbildfilm einlegt erzeugt Negative in der Größe von fünfunddreissig mal vierundzwanzig Millimetern. Ein Negativ von einem auf Mittelformat aufgenommenen Panorama ist sechzig mal einhundertsiebzig Millimeter gross. In anderen Worten: Ich kann das wenn ich das will auf mehrere Meter Größe vergrössern!
Deshalb bin ich so fasziniert von diesen 6×17-Negativen! Man kann diese so gigantisch vergrössern, dass man denkt man steht vor einer riesigen Kinoleinwand und man sieht auch wenn man ganz nahe an das Bild herantritt jedes noch so kleine Detail! Ich habe einige meiner schon entwickelten Bilder bei einer relativ niedrigen Auflösung eingescannt und diese könnte ich schon jetzt auf etwa sechseinhalb Meter vergrössern – ohne Qualitätseinbußen! Wenn ich die in höchster Qualität digitalisiere könnte ich glatt ein grosses Haus mit dem Motiv bedrucken! Ich bin so fasziniert!
In Zukunft werde ich immer wieder auch Panoramen erstellen. Das meiste wird man hier auf dieser Internetseite sehen können.
Roy