Da war sie nun, die Ausstellung. Am Freitag.
Aber fangen wir am Anfang an.
„Die Photologen“ (Internetseite: https://www.photologen.de) ist ein Podcast, also quasi „zeitsouveränes Radio“. Jemand nimmt etwas auf und stellt es dann ins Internet und andere können es dann abonnieren, abrufen und anhören. Die zwei Herren, die besagten Podcast betreiben sind Thomas B. Jones und Falk Gustav Frassa.
Aus der Hörerschaft hat sich recht schnell eine Community entwickelt. Das nennt man ja heutzutage so – „Community“. In Zeiten von „Social Media“ und so. Also jedenfalls hat sich diese entwickelt und irgendwie will man ja auch miteinander diskutieren und Kontakt halten. Da kann man ja über Facebook genug schlechtes sagen, aber es ist nun mal auch ein echt gutes Werkzeug für eine Horde Fotografie-Verrückter um miteinander Kontakt zu halten. So entstand dann der „Photologen-Campus“ in Form einer Facebook-Gruppe. „Stilvolle Fotografie & nette Begegnungen“ ist der Untertitel. Manche nennen es auch liebevoll „Therapiegruppe für Fotografieverrückte“.
Irgendwann gegen Anfang des Jahres 2018 kam nun einer der Mitglieder, nennen wir ihn Dimo T., auf eine scheinbar verrückte Idee. Er hat in der Gruppe erzählt er habe gerade eine rund sechzig Jahre alte Kamera gekauft. Eine Agfa Isolette. Er finde die ganz bezaubernd und in seinem Kopf schwirrt da etwas. Wir sollen doch einfach mal unsere Meinung dazu sagen. Er führte aus, man könne die Kamera doch einfach mal zu jedem bzw. jeder der bzw. die Lust hat mitzumachen, nach hause schicken und diejenigen mit der Kamera spielen lassen und schauen was dabei herauskommt. Wenn man einer Horde Fotografen eine alte Kamera zum Spielen gibt kommen da zwangsläufig …nunja… Fotos dabei heraus. Was auch sonst? Nach kurzem Hin und Her kam dann schnell die Idee einer Deutschlandtour auf. Als Thema wurde „Life – Leben“ festgelegt. Ziemlich schnell wurde dann auch noch festgelegt, die Fotos werden am Ende in einer Ausstellung gezeigt.
Ich wurde auch gefragt und wenn es darum geht mit einer alten Kamera zu arbeiten kann ich kaum anders als einfach mal zuzusagen. So wurde ich also einer von schlussendlich zwölf Fotografen/innen, die jeweils zwei Wochen mit der Kamera verbringen konnten und sie dann zur nächsten Station geschickt haben.
Erst ist mir zu dem Thema alles und nichts eingefallen. „Life – Leben“. Was soll ich dazu fotografieren? Ich hatte meinen Slot im April. Die Natur erweckt nach einem langen kalten Winter zum Leben. Man könnte Blümchen fotografieren. Krokusse vielleicht und Schneeglöckchen. Nein. Das ist zu simpel. Zu einfach. Zu profan. Weiter nachdenken. Mir fällt nichts ein! Mist! Ich muss absagen! Ich kann das nicht! VERDAMMT!
Irgendwann nachts kam mir dann die Idee, das Motto so umzusetzen wie ich es sehe. Manchmal habe ich den Eindruck das Leben rast nur so an mir vorbei. „Die Zeit vergeht wie im Flug“ liest und hört man ja ganz gern. Das ist es! Wie bekomme ich das aber mit dieser Kamera umgesetzt? Die Belichtungszeiten sind sehr begrenzt. Alles ist manuell. Erstmal die Bedienungsanleitung im Internet suchen. OK. Mit einigen technischen Klimmzügen könnte meine Idee funktionieren. Ich gehe es an.
Ich war an zwei Tagen einmal in Erfurt und einmal in Weimar unterwegs. Sieben Filme habe ich belichtet. Siebzig Aufnahmen. Unsicher ob überhaupt etwas brauchbares dabei ist habe ich mich gleich in mein Fotolabor begeben und die Filme entwickelt. Es ist immer wieder ein befriedigendes Gefühl wenn man den Film aus der Entwicklerdose holt und sieht es ist etwas darauf zu erkennen. Wenn man ihn dann zum Trocknen aufhängt kann man schon recht gut einschätzen ob überhaupt etwas brauchbares und vielleicht irgendetwas scharf darauf ist. OK. Ich werde also etwas abliefern können.
Es folgten dann noch das übliche Scannen und das digitale Reinigen der Negative. Ich wollte die Fotos ja trotz sechzig Jahre alter Kamera in einem hervorragenden Zustand abliefern.
Während des ganzen Prozesses sind mir immer wieder Textfragmente in meinem Kopf herumgeschwirrt. Um diese nicht zu vergessen habe ich sie mir notiert und irgendwann sind dadurch wie von selbst zwei Gedichte entstanden. Wenn ich mich intensiv mit einem Thema beschäftige kann das schon mal ganz schnell geschehen. Das meiste wird wahrscheinlich nie das Licht der Welt erblicken, aber diese zwei Gedichte habe ich in das Tagebuch, welches der Dimo T. der Isolette beigefügt hatte, geschrieben. Wenn sie albern oder einfach nur schlecht empfunden werden kann man sie ja einfach weglassen. Tut ja keinem weh.
Insgesamt hatte ich also siebzig Fotos mit der Isolette erstellt. Sechzig davon waren technisch in Ordnung und so wie ich mir das vorgestellt habe. Als ob Dimo T. Gedanken lesen kann hat er mich genau in dem Moment als ich abends angefangen habe die Auswahl zu erstellen angeschrieben, wie es denn bei mir laufe und ob er denn schon mal einen ersten Blick auf die Ergebnisse werfen könne. Er hielte es vor Spannung kaum aus. Nun ging es mir ähnlich. Ich hatte keine Ahnung ob die Fotos überhaupt ankommen und mit in die Ausstellung aufgenommen würden. Von den Gedichten ganz zu schweigen. Also dachte ich mir ich gehe jetzt „All in“.
Von den sechzig Fotos habe ich fünfundzwanzig ausgesucht. Fotos die sich zu ähnlich sind oder die belanglos und nichtssagend sind flogen raus. Morgens war ich dann durch. Also sowohl ich war „durch“ als auch war ich mit dem Auftrag „durch“. Alles schnell zusammenpacken und zum Download zur Verfügung stellen. Kurz nachdem ich den Link zu den Ergebnissen an Dimo T. geschickt habe kam ein Foto einer Kaffeetasse von ihm zurück. Im Hintergrund war eines meiner Fotos auf seinem Monitor zu sehen. Er schrieb mir, er schaue gerade durch meine Fotos durch und sie treffen so genau das Thema und er sei so froh, dass ich auch unter den Teilnehmern sei.
Nunja. Erstmal mit dem Hund raus und das verarbeiten.
Nach einigen Wochen kam die Idee auf, man könne ja auch etwas mit den Tagebucheinträgen der „Isolette-Gasteltern“ anfangen. Ich hatte ja keine Tagebucheinträge geschrieben. Enttäuschung machte sich breit. Aber ich hab da zwei Gedichte geschrieben! Schaut mal ob Ihr die benutzen wollt! Ich konnte die grossen fragenden Augen quasi durch den Chat-Client sehen!
Hier muss ich gestehen, ich habe Abzüge von den ausgewählten fünfundzwanzig Fotos und den Gedichten gemacht und sie mehreren Vertrauten gezeigt – unter anderem zwei Kunstlehrern. Alle fanden den Kram jetzt nicht soooo schlecht. Ich konnte also davon ausgehen, das ganze ist kein kompletter Müll.
Kurz geschreiben. Dimo T. fand den Kram gut und ich wurde Teil der Ausstellung.
Bei der Terminplanung hatte ich schnell ein Problem. Ich betreue seit einiger Zeit einen mir bekannten Künstler, indem ich Fotos seiner Werke mache, diese in einem Buch und einer Website verarbeitet habe und diese Kunst somit an die Öffentlichkeit gezogen habe. Eben dieser Bekannte hatte nun auch aufgrund meiner Fotos genau an dem gleichen Tag eine Ausstellung, an dem auch die Photologen-Ausstellung stattfinden sollte. Glücklicherweise hat er sofort gesagt ich solle zu meiner Ausstellung gehen und da die ganzen Leute treffen. Er und seine Frau bekommen das schon hin.
Jetzt sind wir wieder am Anfang dieses Textes – der Ausstellung der Photologen. „Eine Isolette geht auf Reisen“.
So richtig sicher ob ich vor Ort sein kann war ich nicht. Es war sogar ziemlich unwahrscheinlich. Kurz vorher habe ich es aber hinbekommen und bin am Tag der Eröffnung nach Kassel gefahren, wo die Ausstellung stattfinden sollte. Niemand wusste davon. Als ich also plötzlich vor allen stand wusste erstmal keiner wie ihm bzw. ihr geschieht.
Ich fasse mich kurz: Es war ein guter Abend. Ich habe Menschen getroffen, die ähnlich bekloppt sind wie ich. Die Arschloch-Quote war so weit ich das einschätzen kann bei Null. Die Fotos waren allesamt sehr spannend zu betrachten. Interessant wie unterschiedlich man ein Thema interpretieren kann. Nach vielen interessanten Gesprächen musste ich irgendwann aber wieder los. Am nächsten Tag ruft ja wieder die Pflicht.
Auf dem Heimweg auf der Autobahn kam in mir als ich die Gedanken schweifen lies irgendwie das Gefühl auf ich sei direkt in David Lynch’s „Lost Highway“ und das ganze hier sei doch nur ein surrealer Traum. Nach ein paar Tagen ist aber klar, das war kein Traum. Oder es war ein real gewordener Traum. Gut.
Danke Dimo, Falk, Thomas und Ihr ganzen Beteiligten!
Roy
Hier nun meine von mir ausgewählten fünfundzwanzig Fotos zum Thema „Life – Leben“ und die beiden Gedichte:



























